Rechtstipp
Hatespeech im Internet gegen Journalist*innen
Ansprechpartner*in
Astrid Braun (in Elternzeit)
Was kann ich tun, wenn ich aufgrund meiner journalistischen Tätigkeit auf Social Media angegriffen werde?
Die Nerven einiger Menschen müssen wirklich blank liegen. Ein Artikel beispielsweise über ein Stadtfest einer kleinen, kreisangehörigen Gemeinde, in dem die Stimmung als ausgelassen, heiter oder bunt bezeichnet wird, reicht mittlerweile anscheinend schon aus, die Stimmung in manchem Lager hochkochen zu lassen und Journalist*innen aufs Übelste zu beleidigen, teilweise sogar zu bedrohen. So leider konkret geschehen bei einem unserer Mitglieder.
Da Autor*innen in den Zeitungen meist namentlich benannt werden, können sie leicht von Personen ausfindig gemacht werden, die es sich nicht nehmen lassen wollen, im Netz herablassende Kommentare zu posten. Dabei sind so manche Äußerungen sogar noch harmlos, die Bezeichnung als A***loch wird man als Journalist*in heutzutage müde lächelnd wegstecken. Nein, es geht um viel tiefgreifendere Beleidigungen, es geht um Morddrohungen und nicht selten um die genaue Beschreibung, wie man konkret vorhat, den*die Autor*in eines Zeitungsartikels zu foltern, zu lynchen oder gar vierzuteilen.
Mit einem Wimpernschlag kriegen wir unsere Gesellschaft nicht wieder auf ein (zumindest) sprachlich anständiges Niveau, daher müssen wir wohl bei uns anfangen und uns die Frage stellen: Wie kann ich mich vor solchen Menschen schützen?
1. Für alle Journalist*innen ist es in erster Linie ganz wichtig, sich selbst auf Social Media zu schützen. Wenn Sie mit Ihrem echten Namen privat auf Social Media unterwegs sind, veröffentlichen Sie so wenig höchstpersönliche Daten wie nur nötig. Dazu gehören unter anderem private Telefonnummern, die Wohnadresse oder zum Beispiel auch das Autokennzeichen. Im Prinzip sollte das keiner tun, unabhängig von einer journalistischen Tätigkeit, aber gerade Journalist*innen und vor allem diejenigen, die im Politikbereich unterwegs sind, sind besonders gefährdet für Angriffe feindseliger Personen. Ein Angriff im Netz ist das eine, aber Sie möchten diesen Leuten sicher nicht vor Ihrer Wohnungstüre begegnen.
2. Dokumentieren Sie die Beleidigungen und Bedrohungen, z.B. mithilfe von Screenshots und der Erfassung des taggenauen Datums, auch wenn Sie noch unschlüssig sind, ob Sie die Tat strafrechtlich verfolgen lassen möchten oder nicht. Sollten Sie sich nämlich später für eine strafrechtliche Verfolgung entscheiden (Achtung: Verjährungsfristen beachten), ist es für den Ausgang eines Strafverfahrens sehr entscheidend, ob Sie die erhobenen Vorwürfe gegenüber dem Angeklagten beweisen können.
3. Erstatten Sie Strafanzeige bzw. stellen Sie einen Strafantrag bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Eine Strafanzeige (§158 Abs.1 S.1 Strafprozessordnung) stellt dabei lediglich eine Meldung des Verdachts einer Straftat an die Strafverfolgungsbehörden dar. Das Besondere dabei ist, dass wirklich jede*r eine solche Anzeige schriftlich oder mündlich erstatten kann, entweder bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder dem Amtsgericht. Die Strafanzeige begründet einen Anfangsverdacht, der die Behörden dazu zwingt ein Strafverfahren einzuleiten. Da die Bedrohung in Deutschland ein sog. Offizialdelikt ist, die Strafverfolgungsbehörden also ab Bekanntwerden der Tat von Amts wegen tätig werden müssen, ist die bloße Erstattung einer Anzeige übrigens völlig ausreichend, wenn Sie im Netz Opfer einer Bedrohung wurden. Bei der Beleidigung dagegen handelt es sich um ein reines Antragsdelikt, dem Tatvorwurf wird also grundsätzlich nur auf Antrag der*des Verletzten von den Strafverfolgungsbehörden nachgegangen.
Übrigens: Wir bekommen immer wieder zu Ohren, dass betroffene Journalist*innen davon absehen eine Strafanzeige zu erstatten oder einen Strafantrag zu stellen, weil ihnen auf der Polizeidienststelle jegliche Hoffnung auf Erfolgsaussichten genommen wird. Die Sache werde von der Staatsanwaltschaft dann eh höchstwahrscheinlich eingestellt, heißt es dort oft. Doch selbst wenn es zur Einstellung des Verfahrens kommen sollte, haben Sie einen wichtigen Schritt getan: Sie haben sich mit Ihrem Entschluss tätig zu werden aus der Opferrolle herausgehoben und nach außen signalisiert, dass Sie sich als überzeugte*r Journalist*in nicht alles gefallen lassen müssen.
Ein Rechtstipp ersetzt nicht die umfassende, rechtliche Beratung im Einzelfall. Mitglieder und solche, die es werden möchten, können sich gerne mit uns in Verbindung setzen, wenn sie aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit Opfer von Hasskommentaren im Netz wurden. Wir helfen gerne weiter.